Es war einmal in einem Café…

… als meine Freundin und ich auf der Terrasse eines Cafés über alles und nichts sprachen und das Thema „Sprache vs. Dialekt“ aufkam. Wir diskutierten viel, denn meine Freundin ist schweizerdeutsch, ihre Mutter kommt aus Graubünden! Ich fragte sie, ob sie Schweizerdeutsch als Sprache oder Dialekt betrachte. Sie sah mich an und lächelte. Für sie war es klar, dass Schweizerdeutsch keine Sprache, sondern ein Dialekt ist.

Was denkst du darüber?

Ich persönlich habe direkt gedacht: Hierüber möchte ich schreiben. DAS wäre ein toller Blog-Post!

Ich finde interessant, zu recherchieren warum meine Freundin so denkt und auch wie Linguisten, also SprachwissenschaftlerInnen, denken und ob sie sich bei dieser Problematik einig sind. Weiter interessiert mich welche die verschiedenen Kriterien sind, um einen Dialekt von einer Sprache unterscheiden zu können.

Und in der Schweiz

Diese Frage ist umso interessanter, als die Schweiz vier Landessprachen und zahlreiche Dialekte hat. In einigen Kantonen werden sogar mehrere Landessprachen gesprochen. Bern, Freiburg und das Wallis sind zweisprachig und Graubünden dreisprachig! Die zwei häufigsten Fremdsprachen sind Englisch und Portugiesisch.

Man weiss nicht genau, wie viele schweizerdeutsche Dialekte es in der Schweiz gibt. Die Dialekte werden oft auf die Region eines Kantons bezogen, so gibt es z.B Zürcher, Berner und Basler Dialekt.

Ich spreche zu Hause auch einen Dialekt, aber einen italienischen Dialekt, den man in Graubünden spricht. Du siehst: Ich bringe ein starkes persönliches Interesse mit. Deshalb werde ich am Ende des Artikels meine persönliche Meinung zu der Thematik geben.

Vorher möchte ich dir erklären, was überhaupt ein Dialekt ist.

http://emphase.ch/swiss-infographics/

Was ist überhaupt ein Dialekt?
  • Ein Dialekt ist eine regionale Variante einer Sprache, die von einer besonderen Sprechergruppe gesprochen wird.

Dialekte sind vornehmlich gesprochen. Wir schreiben sie also nicht unbedingt. Dialekt wird nicht in offiziellen Papieren, in der Verwaltung oder der Literatur verwendet. Ausnahme sind Kommunikationsformen, die der mündlichen Kommunikation ähnlich sind. Wenn wir z.B. mit Freunden über WhatsApp schreiben. Hier schreiben wir zwar, aber der Chat ist fast wie ein Gespräch. Das macht es wahrscheinlicher, dass wir auch im Dialekt schreiben.

  • Ein anderes Kriterium ist die gegenseitige Verständlichkeit.

Man spricht von verschiedenen Dialekten, wenn es einen kleinen sprachlichen Abstand zum Standard und auch zu anderen Dialekten gibt d.h. wenn es nur wenige Unterschiede im Wortschatz und in Bezug auf die Lautmerkmale gibt.

  • Neben diesem linguistischen Kriterium spielen auch die politischen, kulturellen, sozialen und historischen Aspekte eine große Rolle.

Jeder Dialekt kann eine Standardsprache werden, wenn es einen entsprechenden politischen Willen, Einigkeit und ein konkretes Territorium gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist das Luxemburgisch, das allmählich als Nationalsprache ausgebaut wird.

Aber…

Es gibt aber auch Länder mit Dialekten, die nur teilweise den eben genannten Kriterien entsprechen.

Chinesisch ist ein interessantes Beispiel: Nord- und Südchinesen können sich in der mündlichen Kommunikation höchstwahrscheinlich nicht verstehen. Dies liegt an der unterschiedlichen Aussprache und Unterschieden im Wortschatz. Dennoch können sie sich schriftlich verständigen. Wenn man nur das Kriterium der gegenseitigen Verständlichkeit berücksichtigt, würde sich die chinesische Sprache in acht Hauptsprachen aufteilen. Weil es aber eine gemeinsame Schriftsprache gibt, wird Chinesische als einzige Sprache betrachtet.

Ein anderes Beispiel sind Dänisch, Schwedisch und Norwegisch. Grundsätzlich können sich die Sprecher dieser Sprachen verstehen, dennoch zählen die Sprachen als eigene Sprachen. Die Gründe hierfür sind verschiedene historische und politische Kriterien. Im Verlauf ihrer Geschichte sind diese Länder unabhängig geworden, deshalb sprechen ihre Einwohner ihre eigene nationale Sprache.

Was ist mit dem Schweizerdeutsch los? Gibt es bald Schweizerdeutsch als eigenständige Sprache?

Grundsätzlich könnte das Schweizerdeutsch in gleicher Weise wie Luxemburgisch als eine Sprache ausgebaut werden. Aber im Moment gibt es (noch J) nicht genügend Bedarf für die Vereinheitlichung und Normierung der Schreib- und Sprechweisen der regionalen Dialekte des Schweizerdeutschen. Die Schweizerdeutschen möchten lieber ihren regionalen Dialekt und nicht eine vereinheitliche eigene Schweizerdeutsche Sprache sprechen.

„Eine Sprache ist ein Dialekt mit einer (großen) Armee“

Eine Sprache unterscheidet sich also von einem Dialekt in dem Punkt, dass sie sowohl in der schriftlichen als auch mündlichen Kommunikation von der Mehrheit der Menschen eines größeren Territoriums verwendet wird. Sie ist für die in diesem Territorium lebenden Menschen verständlich und basiert auf historischen, kulturellen, politischen Faktoren.

Hier spielt das Kriterium der Quantität eine große Rolle: Eine Variante, die von einer Mehrheit gesprochen wird, wird höchstwahrscheinlich als eigene Sprache betrachtet werden. Im Gegensatz wird eine Variante, die nur von einer kleinen Gruppe in einem begrenzten Gebiet gesprochen wird, als Dialekt angesehen.

Meine persönliche Erfahrung

Zu Hause spreche ich einen Dialekt, den es im italienischsprachigen Graubünden, genauer in Soazza, gibt. Ich weiß, dass es ein Dialekt ist, weil nur etwa 400 Einwohner ihn sprechen und er am ehesten aus dem Italienischen kommt. Es gibt nur eine mündliche Sprache und es gibt keine schriftliche Entsprechung d.h. keine (strengen) grammatischen Regeln. Diese Freiheit ist für Dialekte auch eine Veränderungs- und Entwicklungsmöglichkeit, z.B. können neue Wörter hinzugefügt werden. Dies hält den Dialekt am Leben. Ein Dialekt oder eine Sprache, der/die sich nicht entwickelt, wird einschlafen und verschwinden.

Warum Dialekt sprechen?

Du fragst dich vielleicht: Welches Interesse hat man, einen Dialekt zu lernen?

Für mich als Dialektsprecherin ist die Antwort einfach: Das Gefühl von Identität und Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

Zusätzlich haben mehrsprachige Menschen (und ich zähle hierzu erst einmal auch Menschen, die Dialekte sprechen) oft kognitive Entwicklungsvorteile und sind offener gegenüber anderen Menschen, Sprachen und Kulturen. Willst du mehr dazu lesen? Dann lies unbedingt meinen nächsten Artikel. Da schreibe ich über die Vor- und Nachteile von Mehrsprachigkeit :).

Hier noch eine kurze Zusammenfassung der zu den Schlagwörtern des heutigen Posts.

Es gibt ein paar Kriterien, die uns helfen, eine Sprache von einem Dialekt unterscheiden zu können:

  • Entwicklung: die politische, soziale, kulturelle, historische Entwicklung einer (Sprach)Region
  • Standardisierung: gibt es eine einheitliche Rechtschreibung oder Wörterbücher?
  • Anerkennung als offizielle Sprache?
  • Verständlichkeit: Verstehen sich Sprecher?
  • Finden die Sprecher selbst, dass sie eine separate Sprache sprechen?

Über die Schweiz:

  • vier Landessprachen und zahlreiche Dialekte
  • Bern, Freiburg, Wallis sind zweisprachig
  • Graubünden sogar dreisprachig
  • Schweizerdeutsche Dialekte werden sind oft kantonal, z.B Zürcher, Berner und Basler Dialekt
  • Englisch und Portugiesisch sind die zwei häufigsten Fremdsprachen

Dialekt

  • ist eine regionale Variante einer Sprache
  • wird vornehmlich gesprochen; nicht verschriftlicht im Alltag, in offiziellen Dokumenten, der Verwaltung oder anderer Literatur
  • gegenseitige Verständlichkeit: kleiner sprachlicher Abstand zum Standard/anderen Dialekten
  • jeder Dialekt kann eine Standardsprache werden, wenn es einen entsprechenden politischen Willen, Einigkeit und ein abgrenzbares Territorium gibt!

 

Ich hoffe, dir hat mein erster Artikel gefallen. Teile mir doch gern deine Meinung mit: Ist ein Dialekt (wie) eine Sprache für dich? Sprichst du selbst Dialekt?

Hinterlass mir gern einen Kommentar.

Bis bald,

deine Mélissa

 

 

Ach ja, und wenn du noch mehr lesen willst, schau hier. Ich teile gern meine Quellen mit dir.

  • https://www.schweizerdeutsch-lernen.ch/blog/warum-ist-schweizerdeutsch-keine-eigene-sprache-sondern-ein-dialekt/
  • https://www.weikopf.de/dialekt-oder-sprache.html
  • https://www.uni-augsburg.de/akademische_frage/39_Reinke_Dialekt.html
  • http://neon.niederlandistik.fu-berlin.de/de/nedling/langvar/languageordialect
  • https://www.linguistik.uzh.ch/de/easyling/faq/kolmer-schweizerdeutsch.html
  • http://emphase.ch/swiss-infographics/
  • https://www.watson.ch/wissen/schweiz/603169663-reden-bald-alle-zueri-oder-berndeutsch-und-der-rest-verschwindet
  • http://eole.irdp.ch/activites_eole/annexes_doc/annexe_doc_27.pdf